ZWEITE HAND
Konzeption und Realisierung einer Wochenzeitung für kostenlose private Kleinanzeigen
Die erste Ausgabe der ZWEITEN HAND erschien am 21. Januar 1983:
- Zweite Hand, Ankündigung der Erstausgabe (PDF)
- Zweite Hand, Wochenzeitung für private Kleinanzeigen, Berlin/West 1983, 1.Jg/Nr.1
- Bericht über die Zweite Hand in der ZEIT vom 13. Mai 1983
- Bericht über die Zweite Hand im SPIEGEL vom 8. August 1983
Die „Zweite Hand“ war die erste deutsche Anzeigenzeitung für kostenlose private Kleinanzeigen, die sich ausschließlich über den Verkauf finanzierte. Bis 1983 war es üblich, dass derjenige, der über eine Zeitung etwas verkaufen wollte oder etwas gesucht hat für die Anzeige zahlen musste.
Die „Zweite Hand“ verdankt ihre Existenz der Krise – einerseits der 1982 immer spürbarer werdenden Rezession infolge der zweiten Ölkrise, andererseits der prekären Situation ihrer Gründer: die Werkverträge des Architekten Klaus Homann mit der Akademie Künste waren ausgelaufen, die Kunsthistorikerin Ludovica Scarpa hatte sich nach Abschluss ihrer Dissertation mit vager Aussicht auf Erfolg für eine Professur an der Universität Venedig beworben und die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages zwischen Klaus Kürvers und der Hochschule der Künste (HdK) war fraglich. Die drei Bauhistoriker kannten sich seit langem durch die „Krünitz-Gesellschaft“, einer privaten Bürogemeinschaft aus der 1980 der „Forschungsschwerpunkt für Geschichte und Theorie von Bau, Raum und Alltagskultur“ der HdK hervorgegangen war. Mit dem Projekt der „Zweiten Hand“ wollten sie sich eine finanzielle Basis schaffen, die es ihnen ermöglichen sollte ihre bauhistorischen Forschungen institutionsunabhängig fortzusetzen.
Das Vorbild für die Zeitung stammt von Freunden Ludovica Scarpas, die in Mailand seit 1977 die Zeitung „Secondamano“ für kostenlose Privatanzeigen herausgaben. Es war die erste Zeitung dieser Art in Europa.
Als Prinzip für das Berliner Projekt der „Zweiten Hand“ galt, dass es so weit wie möglich ohne Fremdfinanzierung und Schulden aufgebaut werden sollte. Die einzigen finanziellen Investitionen waren die Bezahlung eines Programmierers, der ein spezielles Computerprogramm geschrieben hat, das die telefonisch aufgenommenen und geschriebenen Anzeigen einmal wöchentlich in eine druckfertige Vorlage der Zeitung übertrug sowie ein Kleinkredit für Papier und Druckkosten der ersten Auflagen.
Nachdem das Konzept für die Zeitung bis ins Detail ausgearbeitet war suchten drei Gründer unter den arbeitslosen Freunden und Bekannten nach Personen, die bereit waren die Schreibarbeiten ohne Bezahlung auszuführen. So wie auch die Gründer selbst gaben sie ihre Arbeitszeit als Kredit. Jede Stunde Arbeit wurde aufgeschrieben und sollte nach einem Einheitssatz (egal ob Konzeptions- oder Schreibarbeit) ausbezahlt werden sobald es die Einnahmen aus den Zeitungsverkäufen ermöglichen.
Das erste Büro der „Zweiten Hand“ war die Wohnung von Klaus Homann. Die Anzeigen der ersten Ausgaben wurden von Freunden und Bekannten der am Projekt beteiligten Personen geschrieben sowie abends unter Gästen der Lokale um den Winterfeldtplatz in Schöneberg gesammelt. Auch der Vertrieb der Zeitung wurde von den Projektbeteiligten selber per Handverkauf in Kneipen sowie über einige hilfsbereite Kioske bewerkstelligt.
Die Zeitung wurde angenommen. Bereits nach einem halben Jahr konnten die kreditierten Arbeitsstunden ausbezahlt, eigene Büroräume angemietet und reguläre Arbeitsverträge abgeschlossen werden. Noch im selben Jahr, 1983, überließen Ludovica Scarpa und Klaus Kürvers das gesamte Projekt der „Zweiten Hand“ Klaus Homann und dem inzwischen entstandenen Team der Zeitungsmacher. Die „Kürvers u. Scarpa GbR Zweite Hand Verlag“ wurde zugunsten der neugegründeten „Zweite Hand Verlags GmbH“ aufgelöst. Nach ihrer Berufung zur Professorin für Baugeschichte an die Universität von Venedig und einer Vertragsverlängerung der Hochschule der Künste hatten sie ihr Ziel, die Finanzierung ihrer Tätigkeit als Bauhistoriker, erreicht. Für Klaus Homann, der die „Zweite Hand“ über viele Jahre zu einem erfolgreichen Unternehmen machte, war es allerdings das Ende seiner Tätigkeit als Bauhistoriker.